Märchen nähren die Seele

Märchen nähren die Seele

Erwachsene, die Kindern privat oder beruflich Märchen erzählen, kennen den Ausspruch am Ende eines Märchens: Erzähl noch einmal.

In meinem Märchenbuch „Mayas Märchengarten“, ein Benefizprojekt für das Kinder- und Jugendhospiz Stuttgart, gibt es viele Märchen zu unterschiedlichen Themen. Die Märchen sind in deutscher und englischer Sprache geschrieben. „Tropf der Regenmacher“ ist eines gegen die Angst vor Gewitter, und das habe ich für unseren fünfjährigen Sohn erzählt, so wie viele Eltern am Abend ihren Kindern noch ein Märchen vorlesen oder erzählen. Und das Märchen in deutscher Sprache klingt so:

Tropf, der Regenmacher

Hoch oben im Wolkenschloss, weit hinter der Sonneninsel und dem Mondgebirge, lebte einst der Regenmacher Tropf. Seinen Hut zog er immer tief ins Gesicht und deshalb konnte man seine Augen nicht sehen. Und durch seinen dichten Bart konnte man auch nicht erkennen, ob er fröhlich oder traurig war. Meistens jedoch war er mürrisch und verschlossen. Und deshalb wollte ihn auch niemand besuchen.

In seinem Wolkenschloss gab es vier große Fenster, die in die vier Himmelsrichtungen, nach Norden, Osten, Süden und Westen, zeigten. Erst wenn Tropf zu einem der Fenster hinausschaute, entschied er, ob es Regen oder Schnee gab.

Mit dem Nord- und Ostwind war Tropf gut befreundet. Zusammen hatten sie oft großen Spaß, wenn die Winde durch die Wolken heulten und der Regen strömte. Doch der Süd- und der Westwind waren Tropf eher fremd und nicht geheuer. Sie waren ihm zu sanft, weil sie nicht um die Wette brausten, wenn es regnete. Das war nichts für Tropf, der Unwetter und Schneegestöber liebte.

Eines Tages nun besuchte ihn die Frau des Südwindes und stellte ihm ihren Sohn Feger vor, der gerade sein Handwerk lernen sollte. „Ein nettes Bürschchen“, dachte Tropf, „aber bestimmt so sanft wie seine Mutter.“ Doch weit gefehlt! Als Tropf zum Südfenster hinausschaute und Feger vorschlug, ein kleines Unwetter im Süden zu veranstalten, war dieser gleich damit einverstanden.
Und ob ihr es glaubt oder nicht, Feger blies zum Regen von Tropf so stark und kalt, dass der Regen zu Hagel wurde und die ganze Ernte im Süden zerschlug. Die Menschen schimpften auf den Regenmacher und erhoben ihre Fäuste gegen ihn, obwohl er doch gar nicht schuld war an dem Unglück. Als die Frau des Südwindes das sah, wurde sie zornig und schickte ihren Sohn zum Nordwind. Dort sollte er sich so richtig austoben, wenn der Wind im hohen Norden über die Schneefelder fegte.

Nicht lange danach bekam Tropf wieder Besuch. Es war der Ostwind, der seine Tochter Sausewind mitbrachte. Was war das für ein reizendes Geschöpf! Tropf verliebte sich gleich in sie, obwohl sie so sanft blies wie der Südwind. Den Ostwind bekümmerte die Sanftmut seiner Tochter sehr. Er hätte sich eine tatkräftigere Tochter gewünscht.

Nun trug es sich zu, dass Nord- und Ostwind zusammen mit dem Regenmacher Tropf ein Wind- und Wetterfest veranstalten wollten. Dazu wurden auch Feger, der Sohn des Südwindes, und Sausewind, die Tochter des Ostwindes, eingeladen. Als nun die beiden zusammentrafen und sich ansahen, knisterte es in den Wolken. Und als Tropf sah, dass sich die zwei verliebten, fuhr er in seinem Ärger mit einem heftigen Platzregen dazwischen. Feger und Sausewind kümmerte das wenig. Und als sie sich einen Kuss gaben, blitzte und donnerte es.

Wusstet ihr, dass auf diese Weise Blitz und Donner im Wolkenschloss entstanden sind?

Und weil Tropf noch immer so zornig ist und die beiden noch immer so verliebt sind wie am ersten Tag, blitzt und donnert es auch heute noch, egal, wie heftig Tropf mit seinem Regen dazwischen fließt, um die zwei auseinanderzutreiben.

Märchen nähren die Seele

Und so beginnt das Märchen „Drumble the Rainmaker„ in englischer Sprache:

“Once upon a time, high up in the Castle of the Clouds way beyond the Sun Islands and the Moon Mountains, there lived Drumble the Rainmaker. He always wore his hat pulled well down into his face so that . . .”

Häufig üben Märchen auf Kinder und junggebliebene Erwachsene eine große Faszination aus. Die Geschichten können uns in magische Welten entführen und zeigen in ihrer bildhaften Sprache, was hinter dem Sichtbaren geschieht und wie Mensch und Natur miteinander verbunden sind.

Mit dem Erlös aus dem Verkauf meines Märchenbuches „Mayas Märchengarten“ unterstütze ich das Kinder- und Jugendhospiz Stuttgart. In dem stationären Haus finden schwerst erkrankte Kinder und Jugendliche mit ihren Familien Hilfe und Zuwendung.

Es gibt viele Wege, anderen Menschen zu helfen. Dieses Märchenbuch ist eines von vielen Möglichkeiten, Kindern und Erwachsenen eine Freude zu bereiten und gleichzeitig etwas Gutes zu tun.

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Herzliche Grüße
Eure Ute

Ute Wimpff
Autorin

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